Umwelt-Staatssekretärin Hoffmann beim DBU-Forschungsprojekt in Wabern


Natürliche Rohstoffe wie Lehm bieten große Chancen. Zum Start eines innovativen und nachhaltigen Lehmbau-Forschungsprojekts hat die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), Dr. Bettina Hoffmann, das Unternehmen Kimm in Wabern besucht. Sie ist Kuratorin bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die das Projekt fachlich und finanziell mit rund 324.000 Euro fördert.

Der Baubereich ist derzeit für rund ein Drittel des Energieverbrauchs und mehr als 50 Prozent des Abfallaufkommens verantwortlich. „Wie wir in Zukunft bauen und wohnen spielt mit Blick auf einen nachhaltigen Wandel eine entscheidende Rolle“, sagte Hoffmann bei der Übergabe des DBU-Förderbescheids. „Klimawandel und Ressourcenknappheit machen es erforderlich, effizienter und nachhaltiger zu werden. Dafür brauchen wir kluge Köpfe und Ideen, die sich in der Baupraxis bewähren.“ Einen wichtigen Beitrag können nach ihren Worten natürliche und nachwachsende Rohstoffe mit geringem Primärenergieeinsatz leisten. „Lehm ist ein Multitalent. Als Baumaterial reguliert er Klima und Feuchtigkeit in Innenräumen, schont Ressourcen und ist unbegrenzt wiederverwendbar. Die Materialien sind regional verfügbar und der ökologische Fußabdruck liegt im grünen Bereich“, so die DBU-Kuratorin. Wegen dieser Qualitäten erfahre Lehm seit Jahren einen Aufschwung.

Frau Dr. Bettina Hoffmann überreicht Herrn Stefan Kimm-Friedenberg den Fördermittelbescheid zu dem DBU-Forschungsprojek, Fotos: © Fotograf Benjamin Stolle

Zudem ist mit erscheinender DIN-Norm 18940 im Juni 2023, die Anwendung von tragendem Lehmsteinmauerwerk bis einschließlich Gebäudeklasse 4 normativ zulässig. Dazu zählen Gebäude, die maximal 13 Meter hoch sind und ohne Einschränkung der Bruttogrundfläche. Eine Hürde gibt es dennoch: „Für den Neubau stehen aktuell keine tragenden Lehmsteine zur Verfügung“, sagt Kimm-Geschäftsführer Stefan Kimm-Friedenberg. Bisher kommen Lehmsteine nach seinen Worten nur kleinformatig vorwiegend im Denkmalschutz zum Einsatz. Kimm-Friedenberg: „Die bisherigen manufakturartigen Herstellungsweisen sind zu zeit- und kostenintensiv, um wirtschaftlich im Vergleich zu industriell hergestellten Kalksandsteinen konkurrenzfähig zu sein.“ Deshalb entwickelte der Betrieb die Idee, in einem Forschungsvorhaben eine mögliche industrielle Herstellung von großformatigen Lehmsteinen für tragendes Mauerwerk bei gleichbleibender Produktqualität nachzuweisen. „Mit den formgepressten Lehmsteinen wollen wir eine wirtschaftliche und ökologische Alternative zu den etablierten Mauerwerksteinen aus Ziegel, Kalksandstein und Beton anbieten“, so Kimm-Friedenberg.


Herr Stefan Dubielzig (Techn. Vertrieb Fa. Kimm) erklärt den anwesenden Gästen die konstruktiven Besonderheiten des Musterhaus aus Lehmsteinen. © Fotograf Benjamin Stolle

Das Unternehmen Kimm produziert und liefert Gesteinskörnungen, Betonwaren sowie Kalksandsteine und verwendet Sande und Kiese aus eigener Gewinnung. Am Standort Wabern werden die Gesteinsvorkommen durch eine bis zu zehn Meter dicke Schicht aus lehmhaltigen Bodenschichten überlagert. „Bei der Kiesgewinnung fällt Lehm an, der bisher nicht verwendet wird“, so Kimm-Friedenberg. „Wir wollen ihn künftig als sinnvolle ökologische Ergänzung hochwertig nutzen.“ Er setzt bei der Herstellung der Lehmsteine auf ein bereits etabliertes Formpressverfahren der Kalksandsteinindustrie. Mehr als 80 Kalksandsteinwerke in Deutschland verfügen über die entsprechende Infrastruktur. „Deshalb wollen wir von der Gewinnung und Aufbereitung des Ausgangsmaterials über die Produktion und Lagerung bis zur Anwendung im Bauteil ein übertragbares Herstellungs-Verfahren mit Qualitätssicherung entwickeln“, so Kimm-Friedenberg. Dazu sollen die Lehmsteine bereits in der Produktion mittels optischer Sensoren geprüft und bewertet werden. Forschungspartner für dieses ambitionierte Vorhaben ist das Clay Expert Center der MFPA Weimar, eines der führenden Institute im Bereich der Forschung und Entwicklung von Lehmbauprodukten und – bauweisen.

Die Beteiligten sehen in dem DBU-geförderten Vorhaben ein großes Potenzial, da allein 70 Prozent der Wohnungen in Deutschland in Mauerwerksbauweise errichtet werden. „Im Vergleich zu herkömmlichen Produktionsverfahren von Mauerwerksteinarten werden für die Herstellung von Lehmsteinen nur sehr geringe Energiemengen benötigt“, sagte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde beim Unternehmensbesuch. Ziel des Vorhabens ist auch die Erarbeitung einer Ökobilanz für dieses neue Produktionsverfahren als Grundlage für eine Typ-III-Umweltproduktdeklaration für formgepresste Lehmsteine. Diese soll Planern und Ausführenden eine gesicherte Datengrundlage liefern für die Errichtung von nachhaltigen Bauten aus Lehm. Die dafür erhobenen Daten ermöglichen eine vergleichende Bewertung mit anderen Wandbaustoffen wie Ziegel und Kalksandstein. Zum Wissenstransfer wird das Clay Expert Center Weiterbildungsformate für Fachkräfte aus der Architektur und dem Ingenieurwesen entwickeln und anbieten.

Bürgermeister Claus Steinmetz verdeutlicht in seiner Rede die Bedeutung des Projektes für die Region. © Fotograf Benjamin Stolle

An der Übergabe des Fördermittelbescheides nahmen auch Landrat Winfried Becker und Bürgermeister Claus Steinmetz teil. Beide machten in ihrer Ansprache deutlich, wie wichtig das Unternehmen Kimm für die Region und die Gemeinde Wabern ist. Nicht nur als Kies- und Sandgewinnungsbetrieb, sondern auch durch die Veredelung dieser Rohstoffe, sei Kimm ein wichtiger lokaler Produzent für den Bausektor. Durch die Neuentwicklung dieses innovativen und nachhaltigen Lehmbausteines wurde ein wichtiges Produkt, das lokal verfügbar ist, entwickelt.

 

Weitere Informationen zu dem Forschungsprojekt sind auch unter www.lehmbaustoffe-conclay.de erhältlich.



Fotos: © Fotograf Benjamin Stolle